Heidelberger Theatertage 2014
Preisverleihung am 2. November 2014 im Theater im Romanischen Keller, Heidelberg
Jury: Christiane Daubenberger, Uwe Hollmichel, Franziska Schaub, Beata Anna Schmutz
Laudatio 3. Platz: Franziska Schaub, Kulturamt
Den dritten Platz der diesjährigen Heidelberger Theatertage vergibt die Jury an das Ensemble „weltempfänger Berlin produktionen“ mit „Meine Mutter war 71 und die Spätzle waren im Feuer in Haft“. Das Stück von Felicia Zeller über den Alltag in einem Alten- und Pflegeheim beschäftigt sich mit der zentralen Frage nach menschlicher Würde.
Gut gefallen hat uns die gelungene raumspezifische Lösung mit einer gezielten Blickführung des Publikums. Der Mut zum Spiel in greller Helligkeit steht exemplarisch dafür, dass der Blick auf unumgängliche Tatsachen nicht geschönt wurde.
Die Kombination aus simultanem und fragmentarischem Spiel sorgte für eine verdichtete Atmosphäre. Die ausdrucksstarken stillen Momente hielten diese Spannung. Der Einsatz von choreographischen Elementen und Requisiten war durchweg gelungen, besonders hervorzuheben ist hier der Gliedertanz der Puppen.
Herausragend war das sensitive Erlebnis beim Schauen des Stücks. Die authentische Geräuschkulisse, der pointierte Text und der Geruch nach schalem Kaffee lösten eine unaufhaltsame Assoziationskette aus. Jeder, der einmal einen Sonntagnachmittag in einem Altenheim verbracht hat, wird sich in diese Situation zurückversetzt gefühlt haben.
Die Darstellung der monotonen Wirklichkeit eines Lebens in der Vergangenheit, stetig gefangen im Warten, war gleichbleibend berührend und betroffen machend. Besonders beeindruckend war die wertungsfreie Darstellung der Figuren, sowohl der alten Frauen in ihrer Hilflosigkeit und Gehässigkeit als auch des Pflegepersonals im Wechsel zwischen Anteilnahme, verzweifelter Wut und Heuchelei.
Das Thema der Zustände in Alten- und Pflegeheimen ist in unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung und doch am Rande. Eine solch gelungene Auseinandersetzung damit wie in diesem Fall erachten wir daher als preiswürdig. „Meine Mutter war 71 und die Spätzle waren im Feuer in Haft“ bietet einen schonungslosen Blick auf die Wirklichkeit in leisen Tönen.
Herzlichen Glückwunsch an die Regisseurin Regina Gyr, die Autorin Felicia Zeller, die Schauspielerinnen Ulrike Barchet, Nicole Weissbrodt und Esther Nicklas sowie an das gesamte Produktionsteam!